Über Dworak
Peter Turrini
Über den Maler Peter Dwořak
Die Bilder von Peter Dwořak faszinieren mich und machen mir gleichzeitig Angst, und ich frage mich, warum das so ist? Manchmal malt er Tiere, meistens Menschen, und daran wäre nichts Beunruhigendes, käme nicht etwas Entscheidendes hinzu: er malt in die Menschen hinein, bleibt vor ihnen und durchdringt doch ihre Haut, ihre Augen, ihren Mund, überschreitet das Äußere, den Schutz, die Grenze, wie es ein Chirurg mit dem Skalpell tut. Er legt bloß. Zutage tritt das Innere, das Fleischliche, das Schwärende, das Kranke, das Verdeckte. Nichts unterliegt mehr der eigenen Kontrolle, dem eigenen Willen. Man ist diesem Maler ausgeliefert wie ein Patient dem Operateur. Jetzt weiß ich, was diese Bilder in mir auslösen: meine eigene Angst vor der Narkose und meine Faszination beim Anblick von etwas Bloßgelegtem.
Friedrich Hahn
Der Freundinnenmaler
EINE DISTANZIERTE ANNÄHERUNG AN DAS KÜNSTLERORIGINAL PETER DWORAK
Es gibt für Peter Dwořak, so scheint es, nie Boden unter den Füßen, immer nur unbotmäßige Spitzen der Tiefe. Auf diesen Trittsteinen balanciert Peter Dwořak, als Original der Wiener Kunstszene längst eine fixe Größe, durch sein Leben. Ein Leben, das er für die Kunst lebt. Eine Kunst, die sein Leben ist.
1949 in Wien geboren, hat er alle Attribute eines echten Wieners mitbekommen. Das Raunzen, die Wehmut, die brutal-gemütliche Sehnsucht zwischen Zentralfriedhof und Naschmarkt. Da in der Nähe hat er sein Dachatelier, das er mit Katzen und Freundin(nen) teilt. „Die Besucher wundern sich, dass es immer so ordentlich ausschaut. Aber mir genügt das Chaos, das ich in mir hab.“ Während eines Spitalaufenthaltes erkannte der Bub Peterle die heilende Wirkung des Zeichnens. Mit 16 war er der jüngste Schüler an der Hochschule für bildende Kunst, wo er 1979 sein Diplom für Malerei und Grafik erhielt. Gern und oft zitiert Dwořak Professor Melcher, seinen Lehrer: „Schauts euch den kleinen Peterle an, was der alles z’sammbringt…“ Oder: „…Dwořak, die Frauen werden dich fertig machen in deinem Leben.“ Der Professor sollte so unrecht nicht haben.
Peter Dwořak ist ein Freundinnenmaler. Nach jeder Trennung folgt eine Bildserie, in der die jeweilige „Ex“ deutlich erkennbar die Hauptrolle spielt. Überhaupt sind die Beziehungen von Mann und Frau sein wichtigstes Thema. Da kommt natürlich auch die Erotik nicht zu kurz. So „brüstelts und popscherlts“ in Dwořaks Bildern, dass es dem aufgeklärten Voyeur nur so warm wird ums Herz. Seine Wurzeln sieht die „Neunzigkilo-Mimose“ im Expressionismus.
Den Oskar Kokoschka hält er für einen starken Typen. Vergleiche aber lässt er nicht zu – ein etwaiger mit Franz Ringel kann den Wuschel- und Rappelkopf mit dem leicht rötlichen Schimmer im Vollbart in Rage bringen. Da wird er zum Rumpelstilzchen: „Bei mir weiß man immer noch, wo vorne und hinten ist.“
So sind Peter Dwořaks „Bildkinder“ 1:1-Belege seiner Befindlichkeiten und „privaten Zorres“. „Grauslich ehrlich“ räsonniert er Strich für Strich seine Emotionen aufs Papier. Robert Walser schrieb einmal (sinngemäß): Alle Lebensuntüchtigen haben einen Hang zur Kunst. Und wahrscheinlich ist die Kunst die Strafe für ihre Lebensuntüchtigkeit.
Dabei war Peter Dwořak ein ganz Braver. Als Bub. Dass er ein Muttersöhnchen sei, muss er sich oft anhören. „Stimmt nicht“, macht er eine seiner gespielt bissig-traurigen Fratzen: „Ich bin ein Mutter-, Vater-, Großmutter- und vor allem Großvatersöhnchen.“ Doch er wurde alles andere denn puritanisch erzogen. „Ich hab mich selber zum Puritaner gemacht. Vom Casanovadenken bis zu Pfarrergefühlen ist da alles drinnen.“
Und so kämpft Peter Dwořak heute mit seinem „garstigen Strich“ als eine Art zeichnende Scheherazade ums Überleben. „Künstler wird man, indem man’s notwendig hat“, bringt‘s Dwořak nach dem vierten Bier auf den Punkt..
Sein Wunsch für „danach“: „Mit dem Schubert Franzl und seinem Dreimäderlhaus auf einer gemeinsamen Wolke davonschweben.“ Zeichnend und malend, versteht sich.