Kurzprosa

BEIM NÄCHSTEN POSTAMT GEBE ICH MICH SELBER AUF,
weil verschiedene Zeiten vor mir und nach mir von mir nicht
mehr zeitgerecht erlebt werden können,
weil ich den barocken Simplici spätmittelalterlich im Anschein einer verbrüderten
Konsumtrottelgesellschaft aus meinem literarischen Quartier ausbrechen sehe,
weil Künstler der formalistischen Art Geschichten ohne leben erfinden,
weil Toleranz, Akzeptanz und Verständnis haarige drei Dinge sind,
weil die Vortänzerin einer Peep-show mit ihrem kunstvollen Massagestab
ehrlicher umgeht als ungeschultes Mädchenpersonal in modischen Geschäften.
Kein Tischler macht‘s persönlich,
weil der Michel fei so nah ist.
Ich will leben, sagt die Katze zur Maus.
Frau will auch leben, sagt die Politikerin im grauen flanell.
Aus.

SONNIG-BLÖD IN‘S MAI
Gerade habe ich auf Ihnen gedacht
Ich denke auf Ihnen
Ich muß immer auf Ihnen denken
Da hat er sich mit Worten geschnitten
Du hast mich mit Worten genommen

Dienstag, 5. August 1986
Wenn ich es wage, über das „Drunter- und Drüber-Leben“ zu schreiben, so ist ein
derartiges Unterfangen nicht mehr witzig und auch nicht mehr leicht.
„Kannst die Menschen hassen – nur bringt’s Dir nichts. Lieb’ sie mit ihren blutigen
und samtenen Widersprüchen – die blutigen, samtenen Menschen-Bündel.“
Frieden schließen mit allen mangelhaften Existenzen, wäre schön, ist nicht leicht.
Im Sarg können wir uns ausruhen.
Was hat das alles mit Bildern zu tun?

1 BLÖDEL: LUTSCHI BONBONI
ist zweifelsohni
der süßeste Bonbonieri
an der ganzen Rivieri
Morgen will ich meine neue Katze vorstellen. Nur so viel. Sie hat vier Pfoten, ein rosarotes „Zuckergoscherl“ und Katzenaugen. Sie ist seit einem Monat bei mir im Atelier. Also eine Zu-Hause- Im-Atelier-Katze, die ich nach fast einem Jahr der Katzentrauerzeit schon bittersüß herbeisehnte. Ab und zu gibt sie mir einen Katzenzungenkuß, den ich froh und dankbar entgegennehme.

TRAUM
Menschlein rollen gleich leichten Bällen über Wiesen. Nicht ihre
Köpfe rollen wie so oft in Wirklichkeit, sondern ganze Menschen
lassen sich von anderen Menschen anblasen oder anstupfen, um
weiterzuschweben, weiterpurzeln zu können. Die Bewegungen
sind rund und langsam. Wie Szenenbilder im Zeitlupenverfahren.
Kein Mensch tut sich weh, auch nicht, wenn er auf gepflasterten
Straßen dahinrollt.