Frühlingsschlaf 1-3
FRÜHLINGSSCHLAF 1
Wenn die Menschen sprießen, muß ich den neuesten Scheußlichkeiten aus Rundfunk und Fernsehen, den ungeduldig wartenden weiblichen Körperteilen, aus dem aufgerissenen und zugeschütteten Weg gehen. Dann wird es Zeit, frühlingsschlafend auf den Herbst zu warten.
Die privat und öffentlich zugänglichen Kriege von Lainz bis Palästina lassen mich zu keiner Tages-, Nacht- und Jahreszeit zufrieden. Ex-Freundinnen regen mich an aufzustehen, um mich in arger Weise zu erregen. Auffallend dabei ist der strahlende Himmel, der sich von links nach rechts blauer werdend, auf dem Lebensbild zeigt. Die Sonne lacht. Schlaflose Nächte sind Bestandteile meiner Tage.
FRÜHLINGSSCHLAF 2
Vom Biertrinken, Lesen, Grübeln, Rauchen, schmerzt der Kopf, und die Augen brennen. Eine junge Frau, die auf der 2. Stiege unseres gutbürgerlichen Hauses wohnt, begrüßt mich strahlend lächelnd beim Vorübergehen:
„Wie geht‘s?“
„Muß gehen.“
„Aber es ist doch Frühling.“
„Ich bin wahrscheinlich ein depressiver Mensch.“
„Wegfahren.“
„Kann ich nicht.“
„Wieso?“
„Ich war ein halbes Jahr in Mexiko!“
„Sei froh – du kannst es.“
FRÜHLINGSSCHLAF 3
(Religiöser Fanatismus am Brunnenmarkt)
Am „Tatort“ Brunnenmarkt will ich in aller Ruhe ein Viertel trinken. Es wird mir von den Angestellten eines türkischen Restaurants verweigert. „Ungläubige“ – also zum Beispiel versoffene Wiener – gelten in den Augen dieser Menschen als sündige Teufel. Polizisten werden angerufen. Die treue Freundin und ich können uns nicht ausweisen. Ich verletze meine linke Hand beim zornigen Protestaufschlag auf den Wirtshaustisch. Der Chef des Lokales spricht Entschuldigungen aus. Die Polizei läßt uns gehen. Das Kinderspiel, das man Leben nennt, ist durchaus kindlich geblieben. Die Alten in Lainz, die wahnsinnig guten Künstler in Gugging, die Alkoholdurchtränkten von Kalksburg: alle suchen eigentlich Ruhe. Eine ausgezogene Ziehharmonika spielt uns das Leid von Steinhof. Ich trete ab, um frühlingsdurchschlafen antreten zu können.