Beisl-Skizze
Die Meidlinger Buam leisten am Würstelstand vergeblichen Widerstand gegen grellgeschminkte Mittvierzigerinnen. Nachtschatten verlangen zuviel in ihrer vorstädtischen Geilheit. Die Straßenverkäuferin vom Tivoli träumt von einem Zweitfernseher mit Video und 24 Programmen. Der Daumenlutscher von einst entwickelte sich zum hautnahen Nagelbeißer. Komplexler treffen einander im gegenüberliegenden Beisl. Bierschaum verlangsamt die Gangart der Resthirnzellen. Weinselig wird in eine Wiener Nacht gehüstelt. Westernhelden gingen prinzipiell nur mit Stiefel ins Bett. Die Saloon-Molly mit den Big Bubbles störte das wenig. Mittlerweile spielt in Ottakring ein Hietzinger Kanzleirat das Lied vom Hausherrn und Seidenfabrikant. Die junge Frau an seiner Seite ist nur scheinbar ordinär. Die Trinkerin wirft dem Trinker das Trinken vor und bestellt für sich noch ein Viertel Rotgipfler. Der grüne Veltliner verhilft einem Akademieprofessor zu vorläufig ewigem leben. Blaue Nasen werden violett. Der 3. Mann an der Zither zittert weiter und wird dabei älter. Der Schreiber dieser Zeilen glaubt, er sei der Letzte. Seine Freundin ist Seiltänzerin. Sie hüpft über die Dächer von Wien, überspringt mühelos Stockwerke, während er des öfteren in Tageskleidung bettlings darniederliegt.
In unserem Beisl spricht ein anerkanntes Original mit verfaulten Zähnen sein Selbstmitleid aus. Der Homosexuelle vom Nebentisch bereitet seine behaarte Brust auf eine Berliner Revue vor. Zunächst aber gibt er dem freundlichen Wiener einen zärtlich gemeinten Zungenkuß. Der Künstler und die Kunstbraut sind nicht nur in diesem Lokal außer sich.