Texte

MENSCHLEIN
Wenn ich Menschlein sage, meine ich Mensch. Nicht verniedlicht, nicht verharmlost. Das „lein” hinter dem Wort Mensch ist kein kindliches Anhängsel. Es soll Verständnis und auch Mitleiden mit dem Lebewesen Mensch ausdrücken. Bis heute weiß ich nicht, warum Mitleid so ekelerregend und fast ausgesprochen unaussprechlich sein soll. Da war Goya, der die Bestie Mensch niederzeichnete. Und nicht nur Damen und Herren. Gestern kam mir George Grosz nahe.

Auch er hat seine Feder gespitzt.

Da steh ich nun in der Gegend herum, habe nie einen Weltkrieg erlebt, kann nichts darüber aussagen. Aber im Inneren schlummert all das, was die großen Vorgänger mit Bleistift, Feder und Pinsel an Schrecken ausspuckten. Was hat sich geändert? Die Streitigkeiten hören nie auf. Die Waffen werden immer raffinierter. Die Vernunft wird nicht größer. Gefühle bleiben unterdrückt. Machtdenken ist an der Tagesordnung. Krieg wird im kleinen wie im großen andauernd geführt. Ich kann nicht links oder rechts sein, weil ich nicht weiß, was es bedeutet, links oder rechts zu stehen und zu gehen. Aber solange es erlaubt ist für den Menschen etwas zu spüren, werde ich mit dem Menschen, mit dem Menschlein, mitfühlen und mitleiden. Es lebe das Menschlein. Es lebe die Kreatur Mensch. Solange es dieses Tier Mensch noch gibt.